Wir schreiben den 28. August 2024.
Mit vielen Tränen in den Augen muss ich Abschied nehmen... Natürlich nicht vom Leben, sondern nur von meinem geliebten Bergklettern. Ich hätte ja auch noch ein paar Jahre Zeit gehabt, um gemütlich auf die 3000er hochzukraxeln, aber nein, mein Körper dachte sich: "Warum nicht jetzt?"
Ach, wie wunderbar es doch ist, wenn die Beine zittern, nicht aus Erschöpfung, sondern einfach, weil sie es können. Die Balance eines Flamingos auf Glatteis scheint mir mittlerweile fast erreichbar – meine neue Spezialität? An den Felsen kleben wie eine erschöpfte Spinne im Spinnennetz. Ich habe wohl ein neues Hobby gefunden: herauszufinden, wie viele Muskeln gleichzeitig versagen können. Spoiler: Es sind mehr, als man denkt.
Während ich also so vor mich hinwackle und mich frage, ob es für wackelige Knie eigentlich eine olympische Disziplin gibt, flitzt mein Sohn an mir vorbei. Der kleine Kerl, der damals mit drei Jahren schon 200 Meter unterhalb des Musala stand, an meiner Hand, noch so klein und voller Vertrauen in die Welt. Jetzt läuft er allein, selbstbewusst und stark – und ich könnte nicht stolzer auf ihn sein. Und ich? Ich stehe an der Wand und nichts bewegt sich. Kein Meter, kein Zentimeter. Ich klebe fest, als wäre ich selbst Teil der Landschaft.
Aber hey, wenigstens erfüllt mich das alles mit Mutterglück. Es ist ja nicht so, als würde es weh tun, wenn der eigene Nachwuchs plötzlich die Latte so hoch hängt, dass ich sie nur noch mit dem Fernglas sehe. Nein, nein, ich bin ganz stolz. Wirklich. Ich schwöre.
Die Wahrheit ist: Meine Performance auf den letzten 1.500 Höhenmetern hochwärts, diese legendäre Vorstellung, war einfach grandios. Man könnte fast sagen, ich habe neue Maßstäbe gesetzt – allerdings nach unten. Ich klebe an den Wänden, meine Nerven lassen nach, und ich falle wie ein Häufchen Unglück zusammen, während ich heimlich versuche, es vor meiner Familie zu verbergen. Unauffällig, versteht sich.
Sicher, es wäre einfacher, sich einzugestehen, dass die goldenen Zeiten des Hoch- und Runterrennens vorbei sind. Aber wer will schon einfach? Einfach ist langweilig. Ich nehme lieber den schwierigen Weg – im Zickzack, mit Stolpern, gelegentlichem Fluchen und der eleganten Umarmung des nächsten Steins, der sich mir in den Weg stellt.
Also ja, ich nehme Abschied. Mit Sarkasmus im Herzen, weil Weinen nur die Sicht verschleiert und ich mir sicher bin, dass der Berg das letzte Lachen auf meiner Seite verdient hat. Denn irgendwie ist es auch komisch, in welche neuen Disziplinen man sich plötzlich einfindet – etwa das Kunststück, aufrecht zu stehen, während die Welt um einen herum zu tanzen scheint.
Wer weiß, vielleicht finde ich in der Zeit, die ich nun nicht mehr mit Berggipfeln verbringe, ein neues Hobby. Golf? Stricken? Oder vielleicht spezialisiere ich mich darauf, meinen Sohn aus sicherer Entfernung anzufeuern. Schließlich ist Sarkasmus die einzige Disziplin, in der ich noch mühelos die Spitze erreiche. Aber es gibt ja auch noch das Bergwandern…..
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