Susan war völlig überwältigt, als hätte man ihr aus heiterem Himmel die Hauptrolle in einem überzuckerten Drama zugeschustert. Die tief rebellische Coolness ihrer Gang war allgegenwärtig, fast als hätten sich die Sterne eigens für ihren Auftritt neu formiert. Susan war aufgeregt, als hätte sie einen Tiger im Käfig und dieser plante, eine ausgelassene Party zu veranstalten. Die Lesung erschien ihr wie ein kühner Versuch, aus der Versenkung zurückzukehren. Konnte sie das noch? War sie bereit, sich so vielen Menschen zu stellen? Die Lesung schien der ultimative Beweis dafür zu sein, dass noch ein Funke Leben in ihr steckte – zumindest genug, um einen Raum voller neugieriger Blicke zu ertragen.
Selbst Frieda, die ihren Körper kaum noch bewegen konnte, saß da und genoss das Spektakel, als wäre es das Highlight ihres Jahres. Susan war zutiefst dankbar für diese unerschütterlichen Gang-Mitglieder auf ihrem chaotischen Weg. Auch die Jungs ließen sich nicht lange bitten und füllten den Raum mit einer bunten Mischung aus vertrauten und neuen Gesichtern. Sogar die Schwestern und ihr Lieblingspfleger ließen sich nicht zweimal bitten und kamen, um der Show zu lauschen.
Susan begann zu lesen, und ihre Stimme, anfangs kaum mehr als ein verklemmtes Radio, gewann mit der Zeit an Kraft und Festigkeit, als hätte sie plötzlich eine geheime Energiequelle angezapft. Sie nahm ihre Zuhörer bei der Hand und erfüllte den Raum mit einer warmen, sarkastischen Prosa. Ihre Geschichten über Helmut, diesen ungebetenen Gast in ihrem Leben, wurden von ironischen Untertönen begleitet, die ein Lächeln auf die Gesichter ihrer Zuhörer zauberten. Doch es waren nicht nur Susans Geschichten, die den Raum erfüllten. Auch die Diskussionen und Geschichten der Zuhörer und ihrer Angehörigen brachten ihre eigenen "Helmuts" ans Licht, und plötzlich schien jeder im Raum irgendwie verstanden zu werden. Bei dieser Lesung waren es nicht mehr nur Patienten; es waren Zuhörer und ihre Angehörigen sowie Susans rebellische Cool Gang, die gemeinsam in den Geschichten schwelgten. Viele, die selbst von schweren Lasten geplagt waren, fanden Trost und vielleicht ein wenig Inspiration in den geteilten, sarkastischen Erfahrungen.
Susan wollte diesen Ort nutzen, um Helmut zu offenbaren. Die Anwesenden waren nicht nur ihre Freunde, sondern auch Angehörige und Erkrankte, die stillschweigend die Nebenwirkungen der Tabletten und die Auswirkungen der Krankheit ertrugen, ohne sie groß zum Thema zu machen. Doch Susan fungierte als Sprachrohr und nannte die Dinge beim Namen. Es waren so viele, die bei ihren Ausführungen nickten, dass es fast wie eine einstudierte Choreographie wirkte.
Ob es nun die Verhaltensstörungen wie Spielsucht, Hypersexualität, Müdigkeit, Halluzinationen oder andere Nebenwirkungen waren, Susan holte sie mit ihren Geschichten über Helmut ab.
Die Lesung endete mit dankbaren Blicken und lächelnden Augen, als hätte jeder gerade ein kleines Stück vom Leben zurückgewonnen. Susan erkannte, dass sie nicht nur anderen geholfen hatte, sondern dass auch sie selbst durch diese Erfahrung ein wenig gewachsen war – vielleicht nicht in der Körpergröße, aber definitiv in ihrer inneren Stärke. Sie war dankbar für die Inspiration und die Unterstützung, die sie gefunden hatte, und wusste, dass sie, egal wie schwer der Weg auch war, es schaffen würde.
Mit einem Herzen voller Dankbarkeit und einer Prise sarkastischer Hoffnung blickte Susan in die Runde und sagte zum Abschluss: „Wisst ihr, Helmut hat mir sehr viel genommen, aber er hat mir auch sehr viel gegeben, wie den heutigen Nachmittag mit euch zu verbringen.“ Und mit diesen Worten schloss sie die Lesung, wohl wissend, dass sie immer eine rebellische Cool Gang um sich hatte, die sie mit einem wohlwollenden Zwinkern auf ihrem Weg begleiten würde.
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